Holzschnitt
Ernst_Ludwig_Kirchner_Farbholzschnitt_Kaempfe_Qualen der Liebe_1915

menschheitsdämmerung

Der Titel der Ausstellung geht zurück auf die gleichnamige Sammlung expressionistischer Ly­rik, die der Schriftsteller und Journalist Kurt Pinthus im Jahr 1919 herausgegeben hat.

„Menschheitsdämmerung“ kann in diesem Zusammenhang ge­nauso als Morgenröte wie als Abenddämmerung von Kunst und Literatur der Zeit gelesen wer­den. Keine alphabetische, keine chronologische Abfolge der Gedichte, sondern thema­tisch akzentuiert in den vier großen Kapiteln „Sturm und Schrei“, „Erweckung des Herzens“, „Aufruf und Empörung“ und „Liebe des Menschen“ erschei­nen diese Texte. Diese program­matischen Gruppen bilden zu­gleich auch die Feingliederung der Ausstellung.

Die Dichter kehren ihr Inneres nach außen, wollen die Außenwelt an ihrer geistigen und seelischen Verfassung teilhaben lassen, wollen aufrütteln und erschüttern. Sie fordern eine radikale Erneuerung der Gesellschaft. Sie entwickeln die Vision eines Neuen Menschen.

Die Ausstellung umfasst grafische und lyrische Werke der Zeit. Von Künstlern, die einen bedeutenden Beitrag zur grafischen und dichterischen Moderne geleistet haben. Sie belegen den Pluralismus zwischen einem zurückhaltenden, von Innerlichkeit geprägten, expressiven Ausdruck hin zu einer vom nüchternen Blick geleiteten Sachlichkeit. Kulturelle, wirtschaftliche und politische Umwälzungen nach den traumatischen Ereignissen des Krieges tragen, wenn auch verklausuliert, thematische Akzente bei.

Die in der Ausstellung präsentierten und den Gedichten zugeordneten bildnerischen Werke aus der Sammlung Nierendorf (Berlin) geben Einblick in das künstlerische Zeitgefühl der Jahre zwischen 1918 und 1938, das von Aufbruchswillen und Skepsis, Schreck und Verzweiflung gleichermaßen bestimmt war.

Anstelle begrabener Utopien treten in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg Bilder einer unsicheren Zukunft auf den Plan; soziale Nöte, Depression und Lebensskepsis machen sich breit. Die expressiven Ausdrucksformen jener Zeit spiegeln sich in extrem gefühlsbetonten Bildern und Versen wider, welche in gleicher Weise die Hinterfragung von Identitätsmodellen im Blick haben.

„Das Wort von der ‚Menschheitsdämmerung‘ also darf keineswegs nur als Apokalypse gesehen werden, sondern eben auch als ein Heraufdämmern der Humanität in dem Moment, in dem die alten Götter und die alten Gewissheiten versunken sind.“ (Illies)